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Unser Atem ist etwas, das wir formen können — mit unseren Gedanken ist das um einiges schwieriger. Also nehmen wir doch den Atem! Sobald wir unseren Fokus auf die Atmung lenken entwickelt sich eine innere Entspannung und bringt Ruhe in den Geist und Körper.

Wir knüpfen an dieser Stelle an den vorigen Blogbeitrag "Der vollständige Atem" in Zusammenhang mit unserem Projekt an.

Die Ausatmung und unser Geist

„The breath is the king of the mind. And the mind is the king of the senses.” heißt es übersetzt in der Hatha Yoga Pradipika, einer alten klassischen Yogaschrift. In meiner Arbeit mit Atemtechniken wende ich diesen Ansatz insbesondere im Fokus mit der Ausatmung an.

Unser Atem ist etwas, das wir formen können — mit unseren Gedanken ist das um einiges schwieriger. Also nehmen wir doch den Atem!

Sobald wir unseren Fokus auf die Atmung lenken und einfach nur unseren Atem beobachten, wird uns die Wahrnehmung unseres Atmens bewusster. Und alleine diese Praxis bewirkt eine innere Entspannung und bringt Ruhe in den Geist und Körper.

Wenn wir noch einen Schritt weitergehen und unsere Aufmerksamkeit auf die Ausatmung setzen, lenken wir den Fokus auf die Ausweitung der inneren Ruhe und Stabilität. Wollen wir tiefe Entspannung im Körper wahrnehmen und auch „weniger verkopft” sein, gelingt das durch das verhältnismäßige Verlängern der Ausatmung im Vergleich zur Einatmung.

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Ein beständiger Fokus und das Entspannen des Bauchraumes, ermöglicht es meinen Klient:innen oft schon nach wenigen Atemzügen, ihre Ausatmung doppelt so lang wie die Einatmung zu gestalten (z.B. im Rhythmus: vier Einheiten einatmen und acht ausatmen).

Studien belegen inzwischen auch, was die alten Traditionen schon lange wissen: Eine doppelte so lange Ausatmung wie Einatmung ist besonders gesund für unseren Körper, weil es die optimale Sauerstoffversorgung für den Körper ermöglicht.

Die Technik

In Pranayama-Techniken arbeiten wir sehr oft mit dem Zählen während des Atmens. Das hat mehrere Gründe: Zum einen hält es den Fokus bei der Atmung (denn unser Geist ist schnell gelangweilt) und zum anderen hilft es dabei, die Präzision beizubehalten.

Die Intention ist es, dass der Rhythmus immer gleich gezählt wird, ähnlich wie bei einem Metronom. Mit einem gleichmäßigen Rhythmus und einem bestimmten Verhältnis zwischen Ein- und Ausatmung, entfaltet sich die Wirkung der jeweiligen Technik auf unseren Geist. Dabei gilt immer, wie auch in der ersten Folge, dass neben der Präzision, Sanftmut mit dem Üben einhergeht: Jede Atemzug ist ein gleichmäßiger, ununterbrochener Atemstrom. Zudem hilft es enorm, wenn weder Erwartungen noch Vergleiche zugelassen werden: Das Zauberwort heißt „Loslassen”. Jeder Tag ist anders und Erwartungen stellen sich zwischen uns und dem Moment.

Das Zauberwort heißt "Loslassen"

Die Stille in der Leere

Was denkst du ist einfacher: Ruhig werden oder ruhig bleiben?

Eine der einfachsten, aber auch effizient wirkenden Atemtechniken für die Stabilisierung der inneren Ruhe, ist das Halten der Ausatmung.

Grundsätzlich macht unser Körper das schon von ganz alleine: Wenn du dich mit dem bewussten, langsamen Ausatmen vertraut gemacht hast, wirst du feststellen, dass zwischen dem Ende deiner Ausatmung und vor dem Beginn deiner Einatmung eine kleine Pause ist. Diese Pause wird im Yoga als „Bahya Kumbhaka” bezeichnet. In der Stille des Nicht-Atmens entsteht ein Moment des Nichts und dieser wird in meinen Atemkursen immer als sehr angenehm und beruhigend empfunden.

Diese Atempause zu verlängern ist eine Technik, die Aufmerksamkeit benötigt: Denn wenn die Pause zu lange dauert, kann innerlich genau der entgegengesetzte Effekt eintreten und aus innerer Ruhe entsteht der Impuls von Atemnot. Insbesondere für Neulinge in diesem Bereich, empfiehlt sich diese Technik daher nur im Laufe einer Atemübung, niemals als erster Impuls.

Die Übung

Wie auch in der Übung des „yogischen Atmens” aus dem ersten Beitrag, ist es wichtig, dass du Ruhe, Fokus, Präzision und Sanftheit Teile dieser Atemtechnik sein lässt.

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Nimm einen aufrechten Sitz ein.
Atme zunächst einige Male die volle, yogische Atmung und verlängere nach einigen Atemzügen sanft die Ausatmung. Das heißt, nachdem du einige Male bewusst z.B. für jeweils vier Zähler ein- und ausgeatmet hast, atmest du weiterhin auf vier Zähler ein, aber verlängerst das Zählen bei gleichem Tempo auf fünf und sechs für deine Ausatmung (und mit ein bisschen Übung schließlich auf sieben und acht). Richte dich dabei insbesondere nach deinem Wohlgefühl und gib dir Zeit.

Richte dich dabei insbesondere nach deinem Wohlgefühl und gib dir Zeit.

Nach einiger Zeit werden dir Präzision und Sanftheit in diesem Rhythmus leicht fallen. Dann kannst du die natürliche kleine Atempause zwischen deiner Ausatmung und der nächsten Einatmung bewusst verlängern.
Bringe deinen Fokus bewusst auf die Stille, die entsteht, wenn du nicht atmest. Achte darauf, dass das Halten der Ausatmung niemals dazu führt, dass du nach der nächsten Einatmung schnappst, sondern deine Atmung insgesamt immer ruhig und mühelos bleibt.
Bringe dich schließlich schrittweise zurück auf einen gleichmäßig langen Atem. Erfahrungsgemäß reichen drei, vier Atemzüge in jeder Phase. Aber auch hier gilt wieder: so sanft wie erforderlich, damit die Praxis auch ihre Effekte entfalten kann.

Die Wirkung und Anwendung

Am besten ist immer die Selbsterfahrung und die Reflektion der eigenen Praxis. Erfahrungsgemäß bringt diese Übung eine stabile und intensive Ruhe in unseren Geist und Körper. Der Puls wird langsamer, der Blickwinkel weitet sich, die Gesichtszüge werden sanfter und eine Wahrnehmung von Gelassenheit gegenüber den Dingen um uns herum entsteht.

Im Zusammenhang mit Stress, kann diese Atmung bewusst den Stresszirkel unterbrechen und eine echte Pause schaffen.

Im Zusammenhang mit Stress, kann diese Atmung bewusst den Stresszirkel unterbrechen und eine echte Pause schaffen. In Meditationsübungen wird die Ausatmung oft mit dem „Abfallen lassen” und der Intention von „Allem loszulassen, was wir nicht mehr brauchen”, verbunden. Daraus entsteht innerlich ein Gefühl von neuer Weite und Raum.

Ich empfehle diese Übung insbesondere zum Abschluss eines Tages, aber auch zwischendurch als nachhaltige Unterstützung um das Stresslevel zu senken.

Was unsere Probanden sagen

Das gute vorab: alle Teilnehmer:innen sind auch nach 2 Wochen mit Feuereifer bei der Sache!

Viele Beobachtungen und Auswirkungen aus Woche 1, wie z.B. die positiven Auswirkungen auf die Flexibilität, sind auch in Woche 2 erkennbar. Mit der Einführung der verlängerten Ausatmung hatten jedoch einige unserer Teilnehmer:innen Probleme. Die Erweiterung auf einen Rhythmus von 4-6 oder auch 4-8 führt bei einigen dazu, dass mit der verlängerten Ausatmung die Konzentration wegbricht. Auch fühlt sich das lange Ausatmen oft erzwungen an, da gefühlt keine Luft mehr "übrig" bleibt. Das hat bei einigen den Effekt, dass sie ungewollt wieder in die Brustatmung verfallen. Die somit flachere Einatmung erschwert natürlich ein langes und ruhiges ausatmen.
Ein weiterer Punkt, den wir aus den Rückmeldungen aufnehmen konnten, ist die Tatsache, dass viele zunächst mehr mit dem getakteten steuern der Ein- und Ausatmung beschäftigt sind, als mit der ruhigen Atmung selbst. In einen Modus der Meditation zu verfallen und die Gedanken schweifen zu lassen, fällt dann natürlich schwer. Hier ist sicherlich noch ein bisschen Übung nötig, um die notwendige Routine und Leichtigkeit entwickeln zu können. Die bewusst eingeführte Pause zwischen einem Atemzyklus empfinden die meisten als angenehm.
Was uns besonders freut sind die vermehrten Rückmeldungen, dass sich die Atemtechniken inzwischen auch positiv auf die Schlafqualität auswirken. Für einige ist der Schlaf mittlerweile weniger flach geworden oder ein Durchschlafen überhaupt erst möglich. Das zeigt uns eindrucksvoll, dass bei regelmäßiger Anwendung der Atemtechniken auch nach recht kurzen Zeiträumen schon positive Auswirkungen auf das neurovegetative Nervensystem festzustellen sind.

Wir sind gespannt, was für Auswirkungen wir mit Einführung der nächsten Atemtechnik in Woche 3 erreichen können. Es bleibt spannend!

Hier findet ihr die restlichen Artikel unserer Artikelreihe:
Atemtechniken bei Stress
Der vollständige Atem
Nasen-Wechselatmung

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