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Die digitale Transformation und die sich in den letzten Jahren hieraus ergebenden Ansprüche an Flexibilität, Agilität und Informationsverarbeitung stellt auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement vor neue Herausforderungen.

Betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht nur Chefsache

Modewort, Unternehmensstrategie oder Wahlkampfthema in der Bundestagswahl - die Digitalisierung ist ein fester Bestandteil unserer Arbeitswelt, der Wirtschaft und unseres gesellschaftlichen Lebens. Und auch wenn wir heute im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung weit weg von einem 16 Stunden Arbeitstag sind, gehen mit der Digitalisierung verstärkt Zeitknappheit und Beschleunigung des Lebens einher. Ein interessantes Phänomen, wenn man bedenkt, dass mit dem Einsatz von vernetzten Informations- und Kommunikationssystemen betriebliche Abläufe effizient und automatisiert gestaltet werden können und somit doch zu einer generellen Arbeitserleichterung in unserem Arbeitsumfeld führen sollten. Was steckt also dahinter?

Trotz großen Wohlstands, geringer körperlicher Belastungen und allerlei technischer Errungenschaften, die das Leben eigentlich leichter machen sollten, fühlen sich die Menschen ständig unter Druck. Hoch sind die Ansprüche an Schnelligkeit, Professionalität und Akkuratesse im Berufsalltag.
Christina Berndt
Wissenschaftsjournalistin

Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung bei digitaler Arbeit

"Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung bei digitaler Arbeit " - so betitelt die FAZ einen Artikel zur Repräsentativumfrage zum DGB-Index Gute Arbeit, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund 2016 in Auftrag gegeben worden ist. Demnach berichteten 60 Prozent der Beschäftigten, die mit digitalen Medien arbeiten, dass sie sich sehr häufig oder oft gehetzt fühlen oder unter Zeitdruck stehen. Von ständigen Unterbrechungen und Störungen berichten 69 Prozent der digital Arbeitenden. Bei den anderen - den nicht digital Arbeitenden- sind es hingegen nur 36 Prozent.

Wenn wir eine Blick in unseren beruflichen Alltag werfen, wird der ein oder andere die Ergebnisse der Studie sicherlich bestätigen können. Bei den meisten beginnt diese Ablenkung schon morgens früh mit dem Aufruf des Email-Postfachs: Newsletter, E-Mails, bei denen man auf cc genommen worden ist und Protokolle von Arbeitskollegen, die das Telefonat vom Vortag noch mal zusammengefasst haben und eine schriftliche Bestätigung wünschen. Irgendwo dazwischen findet man dann aber auch mal ein konkretes ToDo. So begleitet uns die E-Mail im Büroalltag von früh bis Abend, zieht ständig bei jeder neu eingehenden Nachricht die volle Aufmerksamkeit auf das digitale Postfach und abends wissen wir vor lauter E-Mails nicht mehr, wo der Tag geblieben ist.

Vielleicht ein wenig übertrieben, aber man darf schon die Frage stellen, warum für die kleinsten Fragen häufig E-Mail Threads über mehrere Seiten generiert werden. Es lebe die asynchrone Kommunikation: Aber kann ein Telefonat oder ein persönliches Gespräch mit einem Kollegen nicht zu einem ähnlichen Ergebnis führen?

Ablenkung kann zu Stress führen

Anja Baethge und Dr. Thomas Rigotti haben im Rahmen des Projektes „Arbeitsunterbrechungen und 'Multitasking' in informationsintensiven Berufen – Auswirkungen auf Leistungs-/ Arbeitsfähigkeit und Gesundheit unter besonderer Berücksichtigung älterer Arbeitnehmer“), feststellen können, dass es - unabhängig des Alters - eine Reihe an Hinweisen für den Zusammenhang von Arbeitsunterbrechungen und Gesundheit gibt. Demnach können Arbeitsunterbrechungen und Multitaskingaufgaben als sogenannte Stressoren gesehen werden, die die Stimmung beeinträchtigen, zu Irritation und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

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Wenn wir uns unseren Berufsalltag ansehen, gehören Arbeitsunterbrechnungen und Multitaskingaufgaben zur Tagesordnung. Neben den ständigen Benachrichtigungen unseres E-Mail-Programms über eingehende E-Mails versuchen wir in den sieben bis acht Stunden eine Vielzahl an Bälle in der Luft zu halten: Kollegen, die mit unaufschiebbaren Problemen im Büro stehen, Nachrichten im Instant Messenger, die unbedingt beantwortet werden müssen oder der Anruf vom Chef, der genau jetzt Zahlen für das anstehende Meeting in einer Stunde benötigt.

Unsere Aufmerksamkeit wird zwangsläufig immer wieder auf neue hereinkommende Reize gelenkt. Es fällt uns dabei schwer, konzentriert bei der ursprünglichen Tätigkeit zu bleiben und diese abzuschließen. Immer wieder werden Aufgabenpakete erneut aufgenommen, neue hinzugenommen und so unter Umständen persönliche Tagesziele nicht erreicht. Kurzfristig ein sehr unbefriedigendes Gefühl und - wie nachgewiesen - langfristig auch mit negativen Einfluss für die Gesundheit.

Die Krankenkassen verzeichnen seit 15 Jahren eine Zunahme stressbedingter Krankschreibungen. Von den gut 15 Fehltagen pro Kopf und Jahr entfallen 2,5 Tage auf psychische Beschwerden wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen.
Dr. Jens Baas
Vorstandsvorsitzender der TK

Resilienztraining als Wunderwaffe

Viele Unternehmen haben auf die Veränderung der digitalen Arbeitskultur reagiert und bieten im Rahmen ihrer betrieblichen Gesunheitsfördermaßnahmen Resilienztrainings an. Diese sollen die Fähigkeit eines Menschen stärken, mit Veränderungen und belastenden Situationen umgehen zu können. Aber auch Programme zur Stressbewältigung durch Achtsamkeit stehen immer mehr im Vordergrund. Insbesondere Krankenversicherungen, die in den letzten Jahren einen erhöhten Krankenstand aufgrund stressbedingter Krankheiten ihrer Versicherten verzeichnen müssen, haben präventiv Stressbewältigungskurse in ihr Leistungsangebot aufgenommen.

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Ob Wunderwaffe und Lösung aller derzeitigen Probleme der Arbeitswelt 4.0, sie sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Fitness Studios, rückenschonende Arbeitsplätze, Salatbar in der Kantine: All diese betrieblichen Gesundheitsfördermaßnahmen sind wichtig und sollen ihre Daseinsberechtigung haben. Doch die digitale Arbeitswelt bringt neue gesundheitliche Beanspruchungen mit sich und erfordert deshalb auch neue Konzepte. Derzeitig geben nämlich diese Maßnahmen keinem praktikable Arbeitsmethoden an die Hand, mit denen man Aufgaben, Projekte, Termine und E-Mails in den Griff bekommt und sich auch geistig mit den rapiden Veränderungen, der Informationsüberflutung und Beschleunigung auseinandersetzen kann.

Eine weitere Herausforderung für Resilienz, Achtsamkeits- und Stressbewältigungstraings wird auch darin bestehen, Mitarbeiter und Führungskräfte für die aktive Teilnahme zu gewinnen. Persönliche Erfahrungen zeigen, dass viele Mitarbeiter eine Unterstützung in ihrem Berufsalltag wünschen, aber auf persönliche Verhaltens- und Gewohnheitsänderungen, die an dieser Stelle zwingend notwendig wären, zögernd und sogar ablehnend reagieren. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das Probleme damit hat, eigene Denk- und Verhaltensmuster - auch im Umgang mit schwierigen Situationen- aktiv zu verändern. Und wenn es dann noch um Angebote geht, die helfen sollen, den alltäglichen Büroalltag zu managen, ist die Hürde besonders hoch. Wer möchte sich denn schon gerne outen, dass er unter Umständen mit den Herausforderungen seines Jobs nicht zurechtkommt? Firmen haben an dieser Stelle die große Herausforderung eine entsprechende Kultur und Akzeptanz im Unternehmen zu schaffen, um entsprechende mentale Fitnessangebote übergreifend zu etablieren.

BGM noch in den Kinderschuhen

Und während mit der Digitalisierung, der Beschleunigung unsere Arbeitswelt und den sich hieraus entwickelten gesundheitlichen Symptomen die nächste Herausforderung für Unternehmen vor der Tür steht, zeigt die Studie „#whatsnext - Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt", die das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) zusammen mit der Techniker Krankenkasse (TK) und der Haufe Gruppe herausgebracht hat, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) zum größten Teil noch in den Kinderschuhen steckt.

Nur ein Viertel der befragten Organisationen haben demnach ein ganzheitliches BGM. Die Bedeutung und Wichtigkeit ist vielen Unternehmen bewusst, aber häufig fehlt es an internen Ressourcen für den Aufbau und den Erhalt, sodass in fast 30 % der Unternehmen zum Beispiel nur Einzelmaßnahmen angeboten werden. „Dabei sein“ reicht an dieser Stelle vielleicht für einen obere Platzierung beim besten Arbeitgeber Deutschlands aus, aber wenn man bedenkt, dass man ein Drittel seines Lebens im Job verbringt, so hat diese Zeit und die hier angebotenen Maßnahmen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit.

Verantwortung für die eigene Gesundheit

Um erfolgreich Gesundheitsmanagement in einem Unternehmen zu etablieren, sollte man bei allen Maßnahmen immer den Fokus auf eine ganzheitliche und nachhaltige Strategie setzen, die letztendlich - und dies ist der entscheidende Punkt- Mitarbeiter zur Übernahme von Verantwortung für die eigene Gesundheit befähigen.

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Hierbei spielen niedrige Einstiegshürden und vor allem Freiwilligkeit eine große Rolle. Yogakurse im hauseigenen Fitnessstudio mögen sicherlich für ein Teil der Belegschaft ein sehr attraktives Angebot sein, aber nicht jeder hat Lust, im engen Sportoutfit den herabschauenden Hund zu turnen. Und nicht jeder übergewichtige Mitarbeiter hat Spaß daran, auf dem Laufband mit seinem durchtrainierten Arbeitskollegen um die Wette zu laufen.

Die Praxis zeigt, dass viele Gesundheitsangebote nur einen kleine Teil der Belegschaft ansprechen und häufig auch nur die, die schon „gesund“ leben. Nach Jahren werden unternehmensinterne Fitnessstudios kaum besucht und die Anmeldelisten zu den Yogakursen bleiben leer. Es macht daher mehr Sinn, Mitarbeitern Angebote anzubieten, bei denen der erste Schritt nicht zu groß ist und es leicht fällt, diesen zu gehen. Diesen können zum Beispiel Präventionskurse oder Seminare zur ausgewogenen Ernährung oder gesunden Ernährung am Arbeitsplatz sein. Diese können ideal in den Büroalltag integriert werden. Die Freiwilligkeit und auch der zeitlich befristete Rahmen können dabei helfen, Mitarbeiter gedanklich dazu zu bewegen, sich mit dem Thema Gesundheit intensiver auseinander zusetzen.

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Fit, gesund und leistungsfähig zu sein, ist keine Frage des Alters, sondern einer bewussten Lebensführung, die bei jedem Menschen aus sich selbst - intrinsisch - erwachsen muss. Man kann sie nicht von heute auf morgen verschreiben. In der digitalen Arbeitswelt, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen, in der Führungskräfte und Kollegen manchmal weit weg sind, muss die Verantwortung der Unternehmen daher darin liegen, mit entsprechenden Motivationsstrategien und konkreten Maßnahmen, Beschäftigte zu einem eigenverantwortlichen Handeln und Mitwirken in Sachen Gesundheit zu führen.

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