Jahrzehntelang haben wir gelernt: Fett macht fett. Heutzutage hält die Low-Carb-Bewegung beständig dagegen, und plötzlich sind nicht mehr Fette, sondern Kohlenhydrate unser Feind. Wo liegt die Wahrheit? Dürfen wir überhaupt noch ohne schlechtes Gewissen essen?
Ernährungsmythen hoch im Kurs
Jahrzehntelang haben wir gelernt: Fett macht fett. Bis heute hat sich diese These in den Köpfen vieler Menschen fest verankert. Fettreiche Lebensmittel werden gemieden, hingegen finden von der Industrie fettarm gestaltete Produkte hohen Absatz. Doch hört man nicht gerade in den letzten Jahren immer wieder, dass Nudeln, Kartoffel & Co krank machen, und Obst ist sowieso aufgrund seines hohen Fruchtzuckergehaltes tabu? In kaum einem Bereich gibt es so viele Märchen & Mythen wie in der Ernährung. Häufig hilft es schon, unsere Nahrungsbestandteile einmal etwas differenzierter zu betrachten.
Fett ist nicht gleich Fett
Fette liefern im Vergleich zu Kohlenhydraten und auch Proteinen mehr Kilokalorien pro Gramm. Relativ schnell kann bei einer erhöhten Menge Fett oder fetthaltiger Lebensmittel der tägliche Kalorienbedarf zu einem beachtlichen Teil ausgeschöpft werden. Viel entscheidender als die Frage nach dem „wie viel“ ist allerdings die richtige Fettauswahl.
Fette bestehen in der Regel aus Glycerin, an welches drei unterschiedliche Fettsäuren gebunden sind. Die Fettsäuren besitzen abhängig von ihrer chemischen Struktur unterschiedliche Eigenschaften, die letztendlich die Eigenschaften des Fettes und seine Bedeutung in der Ernährung bestimmen. Fettsäuren können grundsätzlich in zwei große Gruppen unterteilt werden.
Fette sind unverzichtbar für die Gesunderhaltung des Organismus.
Ungesättigte Fettsäuren
Sogenannte ungesättigte Fettsäuren sind unverzichtbar für die Gesunderhaltung des Organismus. Sie sind Bestandteil aller Zellstrukturen, tragen zur Leistungsfähigkeit unseres Nervensystems bei, wirken entzündungshemmend, regulieren den Cholesterinhaushalt und unterstützen sogar die Fettverbrennung. Insbesondere die mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind allein deshalb so besonders, da sie lebensnotwendig sind, vom Körper jedoch selbst nicht hergestellt werden können und daher zwingend mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Diese wertvollen Nahrungsbestandteile sind vor allem in fettem Seefisch enthalten, aber auch in nahezu jedem Pflanzenöl oder in Nüssen.
Gesättigte Fettsäuren
Gesättigte Fettsäuren sollen die Fett- und Cholesterinwerte im Blut erhöhen, so die landläufige Meinung. Inzwischen gibt es jedoch ausreichend Belege dafür, dass sie deutlich bessere Effekte erzielen, als ihr Ruf es ihnen nachsagt. Zwar ist es richtig, dass sie das unerwünschte LDL-Cholesterin erhöhen, zeitgleich aber steigt auch das gute HDL-Cholesterin, während die Blutfettwerte sogar sinken. Gesättigte Fettsäuren finden sich bspw. in Butter oder Kokosfett. In Puncto Blutfettwerte gibt es andere Faktoren, die deutlich kritischer zu sehen sind, dazu gehört unter anderem der Kohlenhydratbaustein Fruktose.
Transfettsäuren sind so ziemlich die einzigen Fettbausteine, die unser Körper ganz und gar nicht gebrauchen kann, und die so minimal wie irgend möglich konsumiert werden sollten.
Transfettsäuren
Zu technologischen Zwecken werden pflanzliche Fette häufig in einem chemischen Prozess unter sehr hohen Temperaturen behandelt. Das auf diese Weise gehärtete Fett lässt sich industriell besser verarbeiten. Der große Nachteil: Bei der Fetthärtung können sogenannte Transfettsäuren entstehen, welche mit vielen negativen Effekten für den Organismus besetzt sind. Sie erhöhen das Risiko für Diabetes, verschlechtern die Blutcholesterinwerte, wirken entzündungsfördernd und begünstigen die Entstehung von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Transfettsäuren sind damit so ziemlich die einzigen Fettbausteine, die unser Körper ganz und gar nicht gebrauchen kann, und die so minimal wie irgend möglich konsumiert werden sollten. Industriell hergestellte Lebensmittel, insbesondere frittierte und gebackene Speisen, sowie Margarine stecken voll von diesen gehärteten Fetten. Daher Vorsicht bei Pommes, Backwaren jeglicher Art oder auch den leckeren Croissants.
Kohlenhydrate bewusst wählen
Zu allererst ist festzuhalten: Unser Körper benötigt Kohlenhydrate. So ist das Gehirn zwingend auf die Anwesenheit von Glukose angewiesen, bei körperlicher Belastung werden ebenfalls bevorzugt Kohlenhydratspeicher angezapft und auch bei der Signalübertragung der Nervenzellen spielen sie eine große Rolle. Fakt ist aber auch: im Notfall kann der Mensch Glukose selber herstellen. Der Glaube, den Großteil der täglichen Nahrungskalorien über Kohlenhydrate decken zu müssen, ist heutzutage sicher widerlegt.
Auf das richtige Timing kommt es an
Kohlenhydrate finden sich in verschiedene Formen in unseren Lebensmitteln wieder. Entscheidend ist es, die richtige Kohlenhydratquelle in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt zu wählen. Einfachzucker wie Haushaltszucker oder Fruchtzucker werden deutlich schneller verstoffwechselt als Mehrfachzucker aus Vollkornprodukten, Kartoffeln oder Hülsenfrüchten. Letztere haben den Vorteil, dass sie länger sättigen und den Insulinspiegel langsamer in die Höhe treiben lassen. Doch auch schnell verfügbare einfache Kohlenhydrate sind in manchen Situationen eine gute, sogar die bessere Wahl. So können unmittelbar nach körperlicher Belastung einfache Kohlenhydrate die verbrauchten Energiespeicher effizienter wiederauffüllen, als komplexe Kohlenhydrate dies schaffen.
Kohlenhydrate – Energiequelle oder Dickmacher?
Kohlenhydrate werden weitestgehend zur Energiebedarfsdeckung herangezogen, und geistige wie körperliche Leistung erfordern Energie. Unserem Körper stehen dabei verschiedene Energiespeicher zur Verfügung: Als erstes bedient er sich den schnell verfügbaren Zuckern im Blut. Sind diese verbraucht, werden die Kohlenhydratspeicher in den Muskeln und in der Leber genutzt. Erst wenn diese nahezu geleert sind, werden auch Fettzellen zur Energiegewinnung herangezogen. Das große Problem dabei ist, dass wir unseren Energiebedarf häufig überschätzen. Werden mehr Kohlenhydrate zugeführt, als die Speicher aufnehmen können, wird der Rest als langfristige Reserve im Fettgewebe gespeichert. Leider fällt es uns viel leichter, mehr Kohlenhydrate als nötig aufzunehmen, die in der Konsequenz im Fettgewebe gespeichert werden, als so viel Energie zu verbrauchen, die allein über das Kohlenhydratangebot nicht zu decken sei und damit über das Fettgewebe bereitgestellt werden muss.
Unser Hungergefühl entscheidet mit
Bei der Bewertung der beiden Nährstoffe Kohlenhydrate und Fette in Bezug auf ihren Einfluss auf die Gewichtszunahme ist neben der Verwertung im Organismus noch ein weiterer, eigentlich ganz simpler Aspekt wesentlich. Denn ob wir bedarfsgerecht oder zu viel essen, wird schon alleine durch unser natürliches Hunger- und Sättigungsgefühl mitbestimmt. Fett hat gegenüber Kohlenhydraten den entscheidenden Vorteil, dass durch fettreiche Nahrung nicht nur die Magenentleerung verlangsamt wird und man allein dadurch länger satt bleibt, sondern es werden auch verstärkt Sättigungssignale ans Gehirn gesandt. Hier spielen komplexe hormonelle Regulationsprozesse eine große Rolle. Grob gesagt, wird nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten verstärkt Insulin ausgeschüttet, welches zwar schnell, aber nur kurzfristig satt macht, nach fettreicher Nahrung hingegen Leptin, welches als appetitzügelndes Hormon bestimmt, wie lange wir satt sind.
Das Hormon Insulin bestimmt die Mahlzeitengröße und das Hormon Leptin die Mahlzeitenhäufigkeit.
Fazit
In der Bewertung unserer Nahrungsbestandteile sind immer mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Ein einzelnes Lebensmittel macht uns weder dick noch krank. Die Dosis macht das Gift. Das Problem sind nicht Fette oder Kohlenhydrate per se, sondern der häufig unkontrollierte und ständige Konsum, bzw. die falsche Lebensmittelauswahl.
Die Devise ist: Qualität vor Quantität. Bauen wir Kohlenhydrate entsprechend unserer Bedürfnisse in unseren Speiseplan ein, sind sie im Zusammenspiel mit Fetten und Proteinen wichtige Bestandteile einer abwechslungsreichen, leistungsfördernden Ernährung. Wählen wir die richtigen Fette aus, müssen wir keine Angst vor einer Gewichtszunahme oder schlechten Cholesterinwerten haben – ganz im Gegenteil. Pflanzliche Öle, fettreicher Fisch und eine gute Portion Nüsse sollten regelmäßig in den Speiseplan integriert werden, industriell verarbeitetes, auch verstecktes Fett hingegen auf ein Minimum reduziert.