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In Ampelfarben soll der Nutri Score dem Verbraucher eine schnelle Orientierungshilfe zur Differenzierung ernährungsphysiologisch empfehlenswerter und weniger günstiger Lebensmittel geben. Das Modell ist im Grundsatz sehr zu begrüßen, kommt aber leider auch mit Schwächen und Grenzen daher.

Ein neues Label gibt Fragen auf

In den letzten Monaten findet man mehr und mehr ein neues Logo auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen. Dieser sogenannte „Nutri Score“ ist ein Element zur erweiterten Nährwertkennzeichnung. Zwar werden bereits detaillierte Nährwerte wie auch Zutaten und andere Pflichtinformationen auf Lebensmitteln angegeben, jedoch sind diese für viele Verbraucher nicht immer leicht zu interpretieren.

Was lange währt….

Für ein vereinfachtes und visuelles Nährwertkennzeichnungssystem hat sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag 2017 verpflichtet. Insgesamt 11 verschiedene Modelle wurden im Max Rubner Institut des Bundesministeriums für Ernährung und Lebensmittel diskutiert, im Ergebnis gewann das Nutri Score-Modell, für welches im November 2020 der Startschuss in Deutschland fiel. Auch Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, die Schweiz und Luxemburg nutzen die „Ampel“. Die Nutzung des Logos ist seitdem rechtsicher auch bei uns möglich, bleibt aber für die herstellenden Unternehmen eine freiwillige Kennzeichnung.

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Ziele des Nutri Score

Das Nutri Score-Modell soll dem Verbraucher schnell und intuitiv verständlich den ernährungsphysiologischen Wert verschiedener Lebensmittel darlegen, so dass es diesem leichter fällt, gesündere Varianten gegenüber weniger günstigen zu bevorzugen. Das Label richtet sich an die breite Bevölkerung und setzt kein spezielles Ernährungswissen voraus. Hauptadressat des Labes sollten Menschen sein, die ernährungsbedingt unter Krankheiten und Einschränkungen im Alltag leiden, beispielsweise Übergewichtige, Diabetes Typ 2-Erkranke, Menschen mit Bluthochdruck oder mit erhöhten Cholesterinwerten. Mittel- und langfristig soll der Nutri Score dabei helfen, die stetig steigenden Zahlen der Betroffenen zu reduzieren.

So funktioniert das Modell

Die Gesamtbewertung eines Lebensmittels wird beeinflusst durch den Gehalt an Energie sowie an ausgewählten Bestandteilen und Nährstoffen. Inhaltsstoffe, für die ein gesundheitlicher Nutzen belegt ist, senken den Score und Inhaltsstoffe, deren übermäßige Zufuhr mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden ist, erhöhen ihn. Je weniger Punkte ein Lebensmittel in seiner Gesamtheit sammelt, desto grüner wird die Ampel. Die Gesamtbeurteilung auf der 5-stufigen Farbskala beruht auf einem wissenschaftlich entwickeltem Berechnungsalgorithmus und bezieht sich als Basis immer auf eine Menge von 100g bzw. 100 ml des Lebensmittels.

Eine Farbskala soll den ernährungsphysiologischen Wert eines Lebensmittels anhand seiner Nährstoffe auf den ersten Blick erkennbar machen. Sie bewertet nicht, ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund ist.
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Vergleich gilt innerhalb einer Produktgruppe

Achtung: Der Nutri Score vergibt keine grundsätzliche Wertung für ein einzelnes Lebensmittel, sondern betrachtet ein Produkt immer nur gegenüber ähnlichen innerhalb einer Produktgruppe!

Beispiel: Eine Pizza mit einer A-Bewertung hat ein günstigeres Nährwertprofil als eine Pizza mit einer C-Bewertung. Ebenso kann aber auch eine Gemüsemischung ein A tragen, eine andere ein C. Anzunehmen, die A-Pizza sei ernährungsphysiologisch wertiger als das C-Gemüse, wäre die erste intuitive Denke des Kunden. Und schon sind wir bei den Nachteilen des Modells.

Nachteile und Grenzen des Nutri Score

So gut gemeint der Ansatz auch ist, in der Ausgestaltung der erweiterten Nährwertkennzeichnung gibt es viele Lücken, Fragen und Missverständnisse.

  • Da lediglich ähnliche Produkte innerhalb einer Produktgruppe miteinander verglichen werden, kommt es nicht selten vor, dass wenig empfehlenswerte Lebensmittel einen vermeintlich gesundheitsfördernden Anschein machen. Um beim Beispiel von oben zu bleiben: Eine Pizza wird nicht gleich hochwertiger, wenn sie mit 3 Brokkoliröschen mehr daherkommt und sich damit ein A im Nutri Score erschleicht. Der tatsächliche Wert eines Produktes zur Gesunderhaltung des Menschen wird über den Nutri Score leider nicht transportiert.

  • Es gibt Verbraucher, die auf spezielle Inhaltsstoffe achten müssen oder möchten. Eine solche nährwertspezifische Information gibt es weiterhin nur im Kleingedruckten auf der Rückseite, so dass die Ampelfarben auf der Vorderseite an dieser Stelle wenig Hilfestellung bieten.

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  • Fette bzw. gesättigte Fettsäuren werden generell abgewertet. Es fehlt eine differenzierte Betrachtung des gesamten Fettsäureprofils. Deshalb erhalten Pflanzenöle wie Olivenöl oder Walnussöl aufgrund ihres Anteils an gesättigten Fetten höchstens eine C-Bewertung. Ihr viel größerer Anteil an günstigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren bleibt unbeachtet.

  • Dies führt zum nächsten Punkt: In der Gesamtbewertung werden essenzielle Nährstoffe wie Omega-3- Fettsäuren sowie Vitamine und Mineralstoffe nicht berücksichtigt. So kommt es, dass auch geräucherter Lachs aufgrund seines Salzgehaltes auf ein C heruntergestuft wird. Würde sein hoher Anteil an Omega-3-Fettsäuren in die Bewertung einfließen, sähe das ganz anders aus.

  • Glücklicherweise haben die Erfinder des Nutri Score immerhin das unbehandelte Lachsfilet als ernährungsphysiologisch hochwertiges Produkt erkannt und vergeben quasi durchweg ein A. Schade nur, dass das Schlemmerfilet, die Mikrowellen Pommes und die Lasagne aus dem Kühlregal ebenso ein A erhalten. Was genau soll der Verbraucher hier über gesunde Ernährung lernen?

Der Nutri Score ist zu kurz gedacht und suggeriert ein falsches Bild über die (Minder-
Wertigkeit eines Lebensmittels.) - Wie die Gesamtbewertung zu Stande kommt, wird auf der Packung nicht erklärt. Dem Konsumenten werden Ergebnisse eines für ihn auf den ersten Blick undurchschaubaren Systems vorgelegt, die er mit bestem Wissen und Gewissen unter Abgabe seiner Selbstverantwortung anzunehmen hat, oder aber er macht sich zunächst selbst auf die Suche nach Hintergrundinformationen. Dafür muss man natürlich erst einmal wissen, dass das Label eben nicht unbedingt das aussagt, was damit suggeriert wird. - In der ganzen Kampagne der erweiterten Nährwertkennzeichnung fehlt es an Aufklärung und Information des Verbrauchers. Dem bestmöglichen Nutzen des Labels kann man sich nur bedienen, wenn man sich seiner Funktionsweise bewusst ist. Andersfalls bietet es wenig Mehrwert, im Gegenteil. In der aktuellen Version wird der Nutri Score ernährungsbedingte Krankheiten eher fördern als sie aufzuhalten.
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##Fazit## Nicht alles am Nutri Score ist schlecht, das muss man zugestehen. Süßwaren, süße Brotaufstriche, Chips & Co. erhalten erwartungsgemäß eine dunkelrote Wertung. Und wer unter keinen Umständen auf sein Müsli am Morgen verzichten möchte, kann zumindest das grüne für sich wählen. Nichtsdestotrotz liefert das Label bei Weitem nicht das, was für eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung und zur Senkung der Fälle ernährungsmitbedingter Krankheiten erforderlich wäre. Ob ein Logo auf Lebensmitteln überhaupt den Anspruch haben kann, sich mit diesem insgesamt sehr komplexen Gebiet adäquat zu nähern, ist eine andere Frage. Sollte der Nutri Score weiterhin Bestand haben, ist in jedem Fall die ein oder andere Optimierung dringend erforderlich.
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