Kinder sind grundsätzlich offen für Lebensmittel aller Art und lernen an Vorbildern. Warum leiden trotzdem mehr als 15% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter Übergewicht? Folgen einer falschen Ernährung im Kindesalter, ein Appell an Eltern und Tipps, wie es besser geht.
Aus dem (Ernährungs-)Alltag mit Kindern…
Je größer der Eisbecher, desto größer die strahlenden Kinderaugen. Neben Sandförmchen wird für den Spielplatz auch Verpflegung eingepackt: Quetschies oder Fruchtriegel sind praktisch und quasi Obst. Ein paar Babykekse zusätzlich findet das Kind toll und schenken Mama und Papa ein paar ruhige Minuten mehr. Notfall-Gummibärchen in der Tasche gehören sowieso standardmäßig dazu – man weiß ja nie. Zu klischeehaft? Leider nein.
Alarmierende Daten und Fakten
Laut aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist jedes 10. Kleinkind in Deutschland übergewichtig, bei den Jugendlichen im Alter von 10-17 sind es schon knapp 20%; ca. ein Drittel davon ist adipös.
Die Zahl der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen steigt über die letzten Jahrzehnte vor allem in den westlichen Ländern kontinuierlich an. Dies ist erschreckend, zumal wir heutzutage einen fast uneingeschränkten Zugang zu frischer, nährstoffreicher Nahrung auf der einen, und zu vielfältigen Bewegungsangeboten auf der anderen Seite haben. Übergewichtige Kinder bleiben meist bis ins Erwachsenenalter übergewichtig. Ca. 25% der Erwachsenen sind übergewichtig oder adipös.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt fast die Hälfte der Diabeteserkrankungen auf Adipositas zurück. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft nennt für 2003 direkte Behandlungskosten für Adipositas in Höhe von über 85 Millionen Euro, für Folgeerkrankungen rund 11,3 Milliarden Euro. Ein adipöser Mensch verursacht ca. 40% höhere Gesundheitskosten als ein normalgewichtiger.
Ca. 15% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig, 6% sind adipös. Stoffwechselveränderungen und gesundheitliche Einschränkungen beginnen früh, erst unbemerkt, bleiben aber häufig lebenslang bestehen.
Folgen einer falschen Ernährung im Kindesalter
Es geht nicht nur um das rein optische Problem von zu viel Fettmasse, sondern um Gesundheit in Gänze. Eine ungünstige Ernährung im Kindesalter wirkt sich kurzfristig, als auch langfristig in Form von funktionellen Einschränkungen und somatischen Folgeerkrankungen aus.
- Übergewicht und damit verbundene Folgekrankheiten (z.B. Diabetes, Arteriosklerose, Fettstoffwechselstörungen, Fettleber)
- Erhöhtes Risiko für Allergien und chronische Erkrankungen
- Schlechte Zahngesundheit und Karies
- Verzögerungen in der Entwicklung und im Wachstum
- Schwierigkeiten beim Lernen und in der Konzentration
- Verringerte Stressresistenz
- Hormonelle Störungen
- Atemprobleme
- Fehlendes Bewusstsein für eine langfristig gesunde Ernährungsweise
- Fehlendes Bewusstsein für ein gutes Körpergefühl
- Psychosoziale Schwierigkeiten und Essstörungen
Sorgeberechtigte in der Pflicht
Kinder, besonders kleine Kinder, können noch nicht selbst einschätzen, was für sie gesund und ausgewogen ist. Eltern, Großeltern und andere Sorgeberechtigte, sowie Kitas und Schulen sind Vorbilder und Wegbegleiter, um dem Kind das Bewusstsein für Auswahl und Qualität der Lebensmittel mitzugeben und gesunde Ernährung als eine Selbstverständlichkeit vorzuleben.
Fatal ist, dass vielen Eltern gar nicht bewusst ist, wie sehr sie ihrem Kind mit vermeintlichen Kleinigkeiten tagtäglich schaden – meinen sie es noch so gut. Natürlich darf auch mal gesündigt werden, aber bitte in Maßen. Wenn jeder Sonntag, jeder Besuch der Großeltern, jeder schöne Sommertag und jedes Bitten und Lächeln des Kindes Rechtfertigung für Süßes oder Fast Food ist, werden aus Ausnahmen sehr schnell Routinen. Der Gesundheit des Kindes zuliebe daher lieber einmal mehr „nein“ sagen.
Irgendwann ist der Zeitpunkt vorbei, an dem sich das „noch verwächst“, und unbemerkt wird aus einem gesunden Baby mit Pausbäckchen ein übergewichtiges Kind mit ernsten gesundheitlichen Problemen.
Häufige Ernährungsfehler bei Kindern
Eine gesunde Ernährung für Kinder folgt grundsätzlich denselben Regeln wie die der Erwachsenen – spezielle Nährstoffbedürfnisse je nach Lebensalter ausgenommen, aber um die soll es hier nicht gehen. Grob gesagt sollte sie frisch und abwechslungsreich sein, reich an Gemüse und Obst, ergänzt durch gute Öle und Fette, hochwertige Fleischprodukte, regelmäßige Fischmahlzeiten, und komplexe Kohlenhydrate. So einfach wie es klingt, so vielfältig sind auch die Fehlerquellen:
- Süßes als Belohnung
- Süßes zum Trost
- Süßes zur Bestechung
- Süßes aus Langeweile
- Ständiges Snacken zwischendurch
- Zu viel Fast Food
- Zu viel ungesunde Fette aus Pommes, Chips & Co.
- Zu viel ungesunde Fette aus Wurstprodukten
- Zu wenig Gemüse und Rohkost
- Zu wenig Fisch
- Einseitig und nährstoffarm
Spezielle Kinderlebensmittel bitte stehen lassen
Cornflakes mit Vitamin C-Zusatz, Süßwaren mit der extra Portion Milch, Paula´s Pudding – überall lauern Lebensmittel in bunten Verpackungen, die Kindern besonders gut schmecken. Das tun sie tatsächlich, aber aus dem einfachen Grund, dass sie meist mit jeder Menge Zucker gesüßt sind. Sogar Herzhaftes enthält unnötigen Zuckerzusatz, zusätzlich viel Salz, ungesunde Fetten und Aromen. Kurzum sind speziell für Kinder angebotene Lebensmittel in den allermeisten Fällen diejenigen, die gerade nicht im Einkaufswagen landen sollten. Dies gilt auch für vermeintlich Gesundes wie Fruchtriegel oder püriertes Obst im Quetschbeutel; es handelt sich eindeutig um Süßigkeiten, mit einem Stück frischem Obst hat das nichts zu tun.
Selbiges gilt übrigens für Kindergerichte im Restaurant. Die Portionen sind zwar kleiner als die der Erwachsenen, dafür aber um Längen ungesünder. Chicken Nuggets oder Fischstächen mit Pommes macht das Kind zwar in dem Moment happy, liefert aber keinerlei Nährstoffe, sondern lediglich jede Menge ungesunde Fette.
Die Milch macht´s?
Milch galt aufgrund ihres Calciumgehaltes lange als unverzichtbar für die Knochengesundheit. Heute weiß man es besser. Denn es fehlt der Mineralstoff Magnesium, welcher nicht nur selbst unerlässlich für die Knochengesundheit ist, sondern sein Fehlen in der Milch führt wiederum dazu, dass das vorhandene Calcium nicht oder nur sehr schlecht verwertet werden kann. Kuhmilch hat in diesem Punkt also keinerlei Vorteile; wenn nicht gar im Gegenteil: Es gibt Studien, die belegen, das Milchkonsum das Risiko für Osteoporose steigen lässt. Zudem enthält Milch relativ wenig biologisch verwertbares Eisen, und zusätzlich hemmt sie die Eisenaufnahme aus anderen Lebensmitteln. Mit jedem Glas Milch sinken daher die Eisenwerte im Blut. Schlussendlich weist Milch eine hohe Energiedichte auf, wodurch sie höchstens als Lebensmittel, nicht aber als Getränk oder gar Durstlöscher angesehen werden darf.
Lebensmittel in bunter, kindlicher Aufmachung sind in den allermeisten Fällen nicht für Kinder geeignet. Ein Vergleich der Zutatenliste und Nährwertangeben mit derer von normalen Lebensmitteln bringt Klarheit.
weitere Praxistipps
Es ist wichtig, dass wir die Gesundheit unserer Kinder verbessern. Dabei ist es gar nicht schwierig, gesunde Ernährung im Alltag einzubauen, die Kindern schmeckt und Spaß macht. Nicht umsonst wird heute immer noch der liebevoll geschnitze Zauberapfel in die Brotdose gelegt. Denn genau darum geht´s: Freude an gesunder Ernährung vermitteln. Solange es kindgerecht angerichtet ist, bunt und schmackhaft aussieht, essen Kinder fast alles.
- Gemeinsames Einkaufen und Zubereiten der Speisen
- Täglich Gemüse anbieten, Fast Food und Fertigprodukte meiden
- Kein oder wenig Zucker: vieles schmeckt auch ohne Zuckerzusatz. Vielleicht nicht sofort, aber Kinder sind da sehr anpassungsfähig – der süße Geschmack ist Gewöhnungssache
- Fruchtjoghurt selbst machen: Naturjoghurt mit kleingeschnittenen oder pürierten Früchten
- Ausreichend und richtig trinken: viel Wasser und ungesüßter Tees
- Langeweile beim Kind nicht durch unnötige Snacks überbrücken
- Im Restaurant kleine Portionen eines normalen Gerichts bestellen oder aus verfügbaren Beilagen selbst etwas zusammenstellen
- Kindergeburtstage: Natürlich gehört Geburtstagskuchen auf den Tisch. Aber Obstspieße, Gemüsesticks oder herzhafte Muffins zusätzlich bringen Abwechslung auf den
Geburtstagstisch. - Kuhmilch möglichst verdünnt geben, oder auf Milchalternativen ausweichen.
- Gemeinsam essen, ohne Zeitdruck und in kindgerechter Atmosphäre
- Es ist okay, mal keinen Hunger zu haben. Süßes oder Ungesundes als Anreiz, „damit das Kind überhaupt mal was isst“, ist definitiv der falsche Ansatz.
- Nach ausreichend Bewegung, möglichst an der frischen Luft, schmeckt´s immer besser
- VORBILD SEIN! :-)