Einmal durch den Tegernsee schwimmen. Nicht quer. Sondern längs. Von Süd nach Nord. Ein Vorhaben, dass ich mir im Juni gefasst habe und im August umsetzen konnte. Begleitet von Dennis Rombey auf dem Stand Up Paddle Board insgesamt 6,7km Freiwasserschwimmen durch den Tegernsee.
Ein Gefühl von Freiheit
Schwimmen auf der für mich bisher längsten Bahn am Stück. Eine Schwimmstrecke von 6,7km durch den Tegernsee - vom Strandbad Rottach Egern zum Strandbad Kaltenbrunn. Keine Wand, keine Kacheln, keine Leine, kein Kreisverkehr. Einfach Armzug um Armzug und Atemzug um Atemzug geradeaus schwimmen. Hier folgt nun mein Erfahrungsbericht dieses Erlebnisses im Tegernsee und wie ich mich auf dieses Vorhaben in einer Zeit fehlender Wettkämpfe auf diesen Tag vorbereitet habe.
Es ist 06.15 Uhr am Montag, den 02. August in Rottach Egern - mein Wecker klingelt. Ich bin sofort hellwach. Die vergangene Nacht habe ich geschlafen wie vor jedem größerem Wettkampf in den letzten 23 Jahren als Triathlet - etwas unruhig! Eigentlich ein gutes Zeichen. Die nötige Vorstartspannung war da. Es kribbelte in mir. Ich wollte diesen Wettbewerb gegen mich selbst, gegen die Strecke und gegen die Uhr. Ich hatte Bock darauf mich anzustrengen und alles zu geben. 12 Wochen hatte ich mich vorbereitet. 7 Wochen davon ganz gezielt auf diesen einen Tag. Ein Kaffee und zwei Energieriegel zum Frühstück sollten reichen. Die letzten Absprachen für die Strecke mit Dennis und dann rauf aufs Rad zum Startpunkt.
Die Luft hatte 13 Grad. Die Uhr zeigte 07:49 Uhr als ich den Startknopf meiner Uhr drückte.
Da stand ich nun am Strandbad in Rottach Egern um 07.20 Uhr und blickte auf die Egerner Bucht hinaus auf den stillen See. Das Wasser war absolut flach und wirkte ohne Sonne etwas dunkel. Die Wolken hingen tief an den umliegenden Bergen. Die Luft hatte 13 Grad. Eine einzelne Ruderin ruderte hinaus während mein Begleiter Dennis auf dem Stand Up Paddle Board am Steg anlegte. Ich machte mich warm. Standardmäßig Arme kreisen, den Schultergürtel und die Hüfte mobilisieren. Danach Bekleidung aus, rein in den Neoprenanzug. Ich hatte mich für den Helix von Blueseventy entschieden für diesen Tag. Ein letzter Blick über den See und rauf auf das 1m-Brett für den Start. Die Uhr zeigte 07:49 Uhr als ich den Startknopf meiner Garminuhr drückte und mit Anlauf in den See absprang.
Nach meinem aktuellen Trainingsstatus hatte ich mir eine Zeit von 01:45-01:55 Std. ausgerechnet. Auf jeden Fall wollte ich unter 2 Stunden bleiben. Nicht ganz sicher war ich mir mit meiner Vermessung des Sees per Google Maps und den Angaben im Internet über die Länge. Waren es nun 6,8km oder doch nur 6,5km? Aber egal. Ich würde es herausfinden! Dennis paddelte neben mir auf dem SUP und stoppte die Strecke ebenfalls.
Ich hatte mich gut vorbereitet
Nach der 7-monatigen Schließung der Schwimmbäder war ich am 10.05.2021 das erste Mal wieder im Wasser. 700m im Grünen See in Ratingen im dicken Neoprenanzug, mit Neoprenhandschuhen und Neoprenschuhen. Zwei weitere kleine Einheiten dort und 2x 2000m in der Ostsee vor Scharbeutz folgten. Ich war wieder angefixt was das Schwimmen anging. Die erste Einheit im Rheinbad in Düsseldorf hatte 2100m und fühlte sich allerdings ohne Neo noch etwas behäbig an. 40 Minuten im Wasser kamen mir noch wie eine Ewigkeit vor. Bei den folgenden Einheiten besserte sich dies aber rasch. Eine Schwerpunktwoche Schwimmen Mitte Juni in Spanien änderte alles. Ich schwamm 24km in 7 Tagen und hatte dort den Entschluss gefasst: Tegernseequerung in der Länge!
Meine Schlüsseleinheiten waren Einheiten mit Hauptteilen wie 20x200m, 20x300m, 10x400m oder auch 4x1500m.
Lange Intervallserien als Schlüsseleinheiten
Die Wettkampfvorbereitung begann. Zurück in Düsseldorf baute ich meine Einheiten rasch von über 4km auf 5km und teilweise auch über 6km aus. Immer mit Inhalt und strickt gesteuert nach Zeiten und Pausen. Ich schwamm zunächst viele kürzere Streckenabschnitte wie 100er und 200er mit Zielzeiten und Abgangszeiten. Vermehrt auch mit Paddles, um die Kraftausdauer zu verbessern. Meine Schlüsseleinheiten waren Einheiten mit Hauptteilen wie 20x200m, 20x300m, 10x400m oder auch 4x1500m. Auch Flossen zur Verbesserung der Beinarbeit und Kräftigung der Rumpfmuskulatur und damit Optimierung der Wasserlage kamen im Training zum Einsatz. Techniktraining spielt natürlich neben Strecke, Tempo und Kraftausdauer ebenfalls in jeder meinen Einheiten eine zentrale Rolle. Insbesondere zu Beginn jeder Einheit. Insgesamt waren es knapp 120km Training verteilt auf 12 Wochen mit 2-3 Einheiten pro Woche. Davon knapp 100km in den letzten 7 Wochen vor der Seequerung.
Besonders geholfen bei einem problemlosen Wiedereinstieg beim Schwimmen hat mir sicherlich die häufige Durchführung eines Murphs.
Krafttraining im Winter als Grundlage
Ohne Zugang zum Schwimmbad kein richtiges Schwimmen im Winter. Neben unserem Eisbaden und dem täglichen duschen hatte ich keinen weiteren Kontakt zum Wasser. Eine Alternative musste her. Ich legte im Winter den Schwerpunkt vermehrt aufs Traillaufen aber auch vor allem auf Krafttraining mehrmals die Woche. Besonders geholfen bei einem problemlosen Wiedereinstieg beim Schwimmen hat mir sicherlich die häufige Durchführung eines Murphs. Ein Murph setzt sich zusammen aus: 1 Meile laufen, 100 Klimmzüge, 200 Liegestütz, 300 Kniebeugen und 1 Meile laufen. Eine klassische Übungskombination zur optimalen Förderung der Kraftausdauer. Auch im speziellen der Antriebsmuskulatur beim Schwimmen. So hatte ich insbesondere bei deutlicher Steigerung der Umfänge - insbesondere auch mit Paddles - keine muskulären Beschwerden im Trainingsprozess. Doch zurück von der Trainingstheorie in den Tegernsee!
Raus aus der Bucht
Der Start war trotz Sprung geglückt. Die Brille saß. Ich tauchte auf und orientierte mich. Bin ich auf Kurs zum Tegernseer Point? Ab da sollte es scharf nach rechts am östlichen Ufer entlang nach Norden gehen. Ich konnte den Grund sehen. Ein paar Pflanzen aber keine Fischen waren zu sehen. Nach wenigen Metern nur noch Wasser und meine vor mir eintauchenden Hände. Nach 500m Metern piepste meine Uhr zum ersten Mal. 07:25min - ein Schnitt von 1:29min/100m. Etwas zu schnell - ich nahm geringfügig Tempo raus. Ein bisschen spürte ich meinen Trizeps und meine Schultern auf beiden Seiten. Hatte ich es schon auf den ersten Metern zu hart angehen lassen und werde ich dies nun zu spüren bekommen oder bekomme ich das wieder in den Griff? Die folgenden Kilometer pendelten ich mich bei 07:45-07:55min für 500m ein. Nach knapp 1km bog ich am Strandbad Tegernseer Point nach rechts auf den offenen See ab. Mein Ziel - besser die Häuser oberhalb des Ziels, welche ich mir als Orientierungspunkt ausgeguckt hatte - konnte ich bei der klaren Luft schon sehen. Weit in der Ferne. Über 5,5km lagen noch vor mir.
Die erste Verpflegung
Nachdem ich etwas Tempo rausgenommen hatte lief es besser. Meine Muskeln wurden wieder lockerer und ich konnte die Frequenz gut halten. Ich kam gut voran. Vorab hatte ich mich mit Dennis darauf geeinigt, dass er mir jeweils nach 2,5km und nach 5km ein Gel mit Koffein und etwas zu trinken reicht. Nach 2500m das erste Gel und zwei Schluck Wasser mit Ribose von artgerecht. Festhalten am Board war dabei nicht erlaubt. Beim nächsten Intervallsignal standen 08:22min für die letzten 500m auf der Uhr. Etwas Zeit hatte ich eingebüßt durch die Pause. Aber ich fühlte mich gut und blieb beim ursprünglich veranschlagten Tempo.
Wellen kamen auf
Es ging vorbei an der Stadt Tegernsee und Sankt Quirin. Vom Ufer aus beobachtete uns eine Gruppe Rentner. Nach etwa 3km brach die trübe Wolkendecke auf und schien hell über den See. Für mich als recht überwiegender "Rechtsatmer" zunächst etwas störend. Hatte ich mich doch für die helle Brille von Arena entschieden. Ich wechselte zur linken Seite und sprang etwas zwischen 2er und 3er Atmung hin und her. Die Richtung wechselte wieder etwas und die Sonne war kein Problem mehr für mich. Viel mehr aber die bei km4,2 aufkommenden Wellen. Ich erreichte eine Schutzzone, welche mit Bojen gekennzeichnet war. Die Wellen kamen von links und drückten mich rüber zu den Bojen. Den Schriftzug "Schutzzone" konnte ich gut erkennen. Ich versuchte dagegen zu halten und änderte meinen Kurs leicht nach links. Doch immer wieder wurde ich zurückgedrückt. Bei km5 endlich dann auch endlich das zweite Gel und wieder ein paar Schluck aus der Flasche. Das Schwimmen wurde für mich deutlich schwerer und ich musste bis km5,5 wesentlich kraftorientierter schwimmen als ursprünglich gehofft.
Das Ziel vor Augen
Nach der Schutzzone nochmals eine leichte Korrektur der Richtung nach links. Auf Kurs zum Strandbad in Kaltenbrunn. Vorbei an zwei Segelschiffen, welche vor dem Strandbad an zwei Bojen von den Wellen hin und her geschaukelt wurden. Dennis legte derweil schon am Steg an und erwartete mich. Das Wasser wurde flacher und flacher. Ich berührte mit der Hand den Boden. Sand und Steine. Es wurde zu flach zum Weiterschwimmen. Ich richtete mich auf ging ein paar Meter und schaute auf meine Uhr: Sie zeigte exakt 6700m in einer Endzeit von 01:45:41 Std. Ich war war im Ziel!
Gipfelgefühle im Ziel
Das Gefühl war einfach grandios. Ich war einmal längs durch den kompletten Tegernsee geschwommen ohne eine wirkliche Pause. Ohne mich irgendwo festzuhalten. Und das in meinem absoluten Traumtempo - 01:35min/100m im Schnitt. Ich blickte kurz zurück über den See und musste mich dann erst einmal auf den Holzsteg in die Sonne legen. Atmen und das Gefühl genießen!
In einer Zeit ohne Wettbewerbe hatte ich dennoch dieses tolle Gefühl, diesen Reiz eines Wettkampfes spüren können und war einfach geflasht von diesem Gefühl. Viel zu lange hatte ich das vermisst. Diese Mischung aus Euphorie und Erschöpfung die man nur nach einem gelungenem Wettkampf spürt. Vielen Dank an meine Frau Annick, die mich stets unterstützt hat und mir den Rücken fürs Training freigehalten hat, an Adryan der mich mit abwechslungsreichem Input für die Trainingsprogramme versorgt hat und natürlich auch an Dennis für den perfekten Support vom Board.
Die nächsten Wettbewerbe sind nun am Sonntag 15.08.2021 das USee Schwimmen in Düsseldorf über 2km im Unterbacher See und am 05.09.2021 die 3,8km als Staffelschwimmer bei der Challenge Roth. Für mich steht abschließend jedenfalls fest: Das war mit Sicherheit nicht die letzte Seequerung!
Bericht in der Tegernseer Zeitung
Auch die Tegernseer Zeitung hat am 05.08.2021 über meine Tegernseequerung berichtet.
Der Artikel ist hier zu finden: Merkur.de