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Wettkämpfe sind in diesem verrückten Jahr leider Mangelware. Doch plötzlich geht wieder was! Nicht virtuell, sondern auf einer echten Strecke!
Ich möchte euch an dieser Stelle gerne mal auf eine Reise in die verrückte Gedankenwelt eines Sportlers kurz vor und während eines Wettkampfes mitnehmen.

Samstagabend. Das Wetter lässt keine Wünsche offen und wir sitzen entspannt bei Freunden im Garten und lassen es uns bei leckerem Essen und Getränken gut gehen.
Wobei ein Teil der Gruppe nur nach außen hin entspannt wirkt. Dieser eine bin ich, denn morgen steht ein 10 Kilometer Wettkampf mit Bestzeitambitionen an. Dem geübten Beobachter oder Sportler mag das direkt auffallen. Sei es wegen der Speisenauswahl (müssen ja Kohlenhydrate rein 😉) oder auch, weil Wein und Bier allen noch so gut schmecken mögen und einer trotzdem eisern verzichtet.
In diesem verrückten Jahr habe ich dieses Gefühl bisher leider viel zu selten gespürt, aber morgen ist es endlich mal wieder so weit. Ich möchte euch an dieser Stelle gerne mal auf eine Reise in die verrückte Gedankenwelt eines Sportlers mitnehmen.
Ich treibe nun schon seit ein paar Jahren regelmäßig Sport und habe viele Wettkämpfe über alle möglichen Distanzen bestritten. Nun könnte man also meinen, dass sich die Sache mit der Nervosität doch so langsam geben sollte. Dem ist aber mitnichten so!

„Ich habe noch vor jedem Wettkampf dieses Kribbeln und die Aufregung. Wie beim ersten Mal. Und das ist auch gut so.“

Das fängt dann oft spätestens am Morgen des Wettkampfes an. Der Wecker schrillt ca. 3 Stunden vor dem Wettkampf und gibt den Startschuss für einen minutiös geplanten Ablauf. Kaffeemaschine an, Frühstück vorbereiten. Diese eine Mahlzeit! Bloß nichts anderes! Bei mir ist es nach langwierigen Testreihen ein Bananen-Erdnuss-Porridge geworden. Direkt nach dem Aufstehen Essen ist zwar wirklich nicht meins, aber im Wettkampfmodus ist alles recht was funktioniert.

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Dann in die bereits am Vorabend zurechtgelegten Klamotten schlüpfen. Hab ich alles? OK! Dann los. Die Fahrt zum Wettkampf ist atmosphärisch immer ein bisschen wie Aufzug fahren. Geredet wird nicht viel und wenn, dann hat das Ganze oft den Tiefgang einer Postkarte aus dem Urlaub. Aber im Prinzip ist mir jede Abwechslung recht. Endlich angekommen. Wo kann ich parken und wo muss ich dann eigentlich hin? Neben all der akribischen Vorbereitung im Training fallen solch banale Sachen dann gerne mal hinten rüber.

„Der Volks- bzw. Straßenlauf an sich ist schon ein unvergleichbarer Mikrokosmos.“

Sucht man seine erste Anlaufstelle, um sich seine Startnummer abzuholen, sollte man in der Regel nach einer Schule, einem Vereinsheim oder auch einer betuchten Turnhalle Ausschau halten. Oder man folgt einfach den knarzenden Durchsagen aus viel zu übersteuerten Boxen.
Am Ort des Geschehens angekommen weht einem direkt der Duft von Waffeln, frischem Kuchen oder auch der guten alten Bratwurst entgegen. An allen Ständen wuseln Eltern und Vereinsmitglieder und sorgen für ein unvergleichliches Ambiente. Die kleinen StarterInnen des Bambini-Laufs, der ambitionierte Hobbyathlet oder auch der durchtrainierte Opa im Trainingsanzug - einen breiteren Querschnitt durch den Breitensport findet man wohl nirgends.

„Ganz viel Fleiß, Engagement und Enthusiasmus. Das zeichnet vor allem die kleinen Volksläufe aus.“

Nummer abgeholt, Schleife zur Sicherheit nochmal binden und dann stehe ich also am Start. Nicht weniger nervös als zuvor, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr! Das Training lief planmäßig und die Beine fühlen sich gut an. Einen Plan habe ich mir dieses Mal auch zurechtgelegt, was soll also schief gehen?! Dieses Mal planmäßig und nicht direkt überzocken!

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Um mich herum – wie immer – Läuferinnen und Läufer bei denen man sich fragt, was sie hier vorne eigentlich machen… Star für die ersten 500 Meter. Aber auch das gehört dazu!
Die Hand am Startknopf der Uhr, den Körper leicht nach vorne gebeugt. Noch zehn Sekunden und los geht’s! Dieses mal übertreibst du es am Anfang nicht direkt und kommst erstmal in deinen Rhythmus. Dieser Vorsatz hält keine 100 Meter! Der Startschuss wirkt wie ein Reset-Knopf der guten Vorsätze.
OK, dann erstmal an der Gruppe dranbleiben. Schon der erste Kilometer ist rum und es läuft hervorragend. Ich fliege leichtfüßig über den Asphalt. Mal kurz auf die Uhr schauen…Junge bin ich schnell! Das klappt auch noch bei Kilometer 2 und ich sammele wertvolle Sekunden als Puffer für meine Zielzeit.

Kilometer drei. Jetzt ziehend die vor mir aber noch mal an. Dennis, bleib vernünftig und lass sie ziehen. „Guter Junge!“ Denke ich mir. Bei Kilometer vier fällt mir allerdings auf, dass nicht die anderen schneller, sondern ich langsamer geworden bin.

„Und wie immer: Alles wie beim ersten Mal!“

Bis Kilometer 5 hält sich mein Zeitverlust noch in Grenzen, aber ich muss mir dann leider eingestehen, dass ich meinen Break-Even-Point überschritten hab. Ich bin fertig mit Schönschreiben!
Mal kurz rechnen wie viel Puffer ich noch hab…ähm…bei der Pace und dem Puffer müssten das noch…oder doch anders. Netter Versuch Dennis, aber dein Kopf hat gerade für solche Sachen keine Kapazitäten. Das Blut wird gerade woanders gebraucht. Der Versuch simpler Rechnereien gehört auch zu den Dingen, die noch nie funktioniert haben. Ab einem bestimmten Level beschränken sich die Fähigkeiten halt nur noch auf das Laufen und man ist froh, dass man dem richtigen Weg folgt.

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Der zu Beginn technisch saubere Laufstil verabschiedet sich so langsam und ich bin um Schadensbegrenzung bemüht. Ich ärgere mich über mich selbst und versuche, den Ärger in Kraft umzuwandeln. Wieso sind denn die Kilometer plötzlich so lang??!! Ich schnaufe inzwischen wie eine Lokomotive und mein Presselächeln habe ich auch schon unterwegs verloren. Zwischendurch überholt mich der ein oder andere mit einem gut gemeinten „Komm Junge! Bleib dran!“ So gerne ich das auch machen würde, aber es geht nicht. Die üblichen Gedankenspiele haben inzwischen auch begonnen. Dinge wie „Ist doch schon die Hälfte“, „Jetzt stell dich nicht so an!“ oder auch „Du hast schon ganz andere Sachen geschafft“ kreisen mir durch den Kopf und sind um mentale Aufmunterung bemüht. So ziehen die Kilometermarkierungen langsam an mir vorbei bis es noch 2 Kilometer sind. Das setzt die allerletzten Kräfte frei. Zeit für einen kleinen inneren Monolog.

„Reiß dich zusammen! Du kannst das! Der letzte Kilometer. Komm schon! Jetzt noch mal alles geben!“

500, 400…mein Körper läuft inzwischen wirklich auf der letzten Rille. Die Beine schwer wie Blei…Ziel! Medaille schnappen! Erstmal wieder zu Luft kommen, sitzen und trinken. Handshake mit den Weggefährten der letzten 10 Kilometer. Kurze und prägnante Analyse, wieso es ja heute mit der Bestzeit eh nicht hätte klappen können. Klassiker sind hier vor allem fiese Steigungen, Gedränge auf der Strecke oder der Gegenwind. Würde man das Bild ausblenden, könnte man meinen, den Mitschnitt eines Trainerkongresses zu hören.
Im Prinzip ist das Drehbuch immer sehr…oder auch viel zu ähnlich. Es ist trotzdem jedes Mal aufs neue spannend, zu was man eigentlich zu leisten im Stande ist und wie man durch das passende Umfeld zu Höchstleistungen angespornt wird.

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Denn eins steht definitiv fest: Im Training würde ich mich nie so verausgaben wie im Wettkampf. Würde nie die gleichen Ergebnisse erreichen. Grenzen verschieben, mit anderen zusammen kämpfen und auch Leiden. Das ist es, was mich jedes Mal aufs neue motiviert und warum ich so gerne bei Wettkämpfen starte. Einmal raus aus der Komfortzone und sich selbst spüren! Und das im nächsten Jahr hoffentlich wieder öfter und mit der tollen stimmungsvollen Atmosphäre die ich so mag!

So unfassbar dumm wie dieses Mal stelle ich mich dann bestimmt nicht noch mal an! 😉
In diesem Sinne: Viel Spaß bei eurem nächsten Wettkampf!

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